Die Sütterlin-Schrift

Durch die Ausbreitung des Schulwesens seit dem 16. Jahrhundert wurde das Lesen und Schreiben immer mehr Gemeingut breiterer Bevölkerungsschichten. Über 300 Jahre hatte die Gänsekielfeder das Erscheinungsbild der deutschen Schreibschrift bestimmt. Das zeitraubende Schneiden und die schnelle Abnutzung des Federkiels beschleunigten im 19. Jahrhundert die Einführung von Stahlfedern, die ab 1856 auch in Deutschland hergestellt wurden.

Es gab Bandzug-, Spitz- und Kugelspitzfedern. Die unterschiedlichen Eigenschaften dieser Federn wirkten sich auf die Schreibschrift aus und es gab Bestrebungen, die Schrift, die man in der Schule lernt, zu vereinheitlichen.

Einer der bekanntesten Schrifterneuerer des 20. Jahrhunderts war der Grafiker Ludwig Sütterlin (1865–1917). Er entwarf eine einfache Form der deutschen Schreibschrift, damit sie in der Schule leichter erlernbar ist. Auffällig ist die Veränderung der Lineatur gegenüber der bis dahin verbreiteten Kurrentschrift.

Die Lineatur bestimmt die Höhe der Unterlängen (wie beim „g” oder „j”), der Oberlängen (wie beim „T” oder „d”) und der Mittellängen (wie beim „o”, „m”). Bei der Kurrentschrift waren die Mittellängen nur halb so hoch wie die Ober- und Unterlängen. Deshalb wirkten die kleinen Buchstaben relativ klein.

Das Bild zeigt links eine Kurrentschrift, in der Mitte eine Sütterlinschrift und rechts die im Buch verwendete Variante der Sütterlinschrift.

Ludwig Sütterlin legte fest, dass Ober-, Mittel- und Unterlängen gleich sein sollten (Lineatur 1:1:1). Außerdem sollten die Buchstaben zunächst gerade geschrieben werden. Erst in späteren Schuljahren war es erlaubt, die Buchstaben leicht schräg zu schreiben.

Er verstand seine Schrift als eine „Ausgangsschrift”, aus der geübte Schreibende ihre eigene Handschrift entwickeln sollten. Die Sütterlinschrift fand ab 1914 versuchsweise, ab 1924 verbindlich in den preußischen Schulen Eingang und wurde 1935 leicht abgewandelt als „Deutsche Volksschrift” in den Lehrplan aufgenommen.

Das Ende der Sütterlin-Schrift

Das Ende der deutschen Schreibschrift wurde 1941 beschlossen: Zunächst sollten Frakturschriften nicht mehr verwendet werden. Die damals veröffentlichte Begründung, bei der Frakturschrift handele es sich um „Judenlettern“, war irreführend und Propaganda. Sie beendete aber eine seit über 100 Jahren geführte Diskussion über die Bedeutung der Frakturschrift (und anderer „gebrochener Schriften“) für die deutsche Sprache.

Per Erlass wurden also die bis dahin üblichen Frakturschriften durch die heute übliche Schrift ersetzt, die dann als „Normalschrift” bezeichnet wurde. Diese Normalschrift sollte dann auch in Schulen gelehrt werden. So verschwand nach einem Erlass vom September 1941 auch die deutsche Schreibschrift aus den Schulen und mit ihr das "runde s".